Festival für eine gute Zukunft

Zukunftsbilder, Dialoge, Ausstellungen und Neue Musik
Dienstag 23. bis Sonntag 28. April 2013
Jugend- und Bildungshaus St. Arbogast / 6840 Götzis / Österreich
Festival für eine
gute Zukunft

Donnerstag, 2. Mai 2013

Schüler machen Schule

Wir brauchen Menschen, die freudig und kompetent die Zukunft gestalten und den Paradigmenwechsel vom Machbarkeitswahn zur Nachhaltigkeit vollziehen können. So begann Margret Rasfeld, Leiter der Evangelischen Schule Berliner Zentrum, Samstag Abend ihren Vortrag bei den Tagen der Utopie.
Sie knüpfte damit direkt an den Workshop von Niko Paech am Freitag Vormittag über die Postwachstumsökonomie an.
Bei der Diskussion hatten mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer darüber gesprochen, wie wichtig Bildung für den Wandel zu einem nachhaltigeren Leben ist.

 Margret Rasfeld hat mit ihrer Gemeinschaftsschule bereits wichtige Schritte in diese Richtung gemacht.

Fehler unseres Schulsystems
Zur Einleitung fasste sie zusammen, was wir alle – egal ob Schüler, ehemalige Schüler oder Eltern – an der Schule erleiden und kritisieren:
– Unser Bildungssystem organisiert das planmäßige Scheitern.
– Wir sortieren Kinder sehr früh in verschiedene Schultypen aus.
– Die Schule ist defizitorientiert.
– Es wird viel zu viel Geld für Nachhilfe (nach der Schule!) ausgegeben – in Deutschland 1,8 Milliarden Euro pro Jahr, in Österreich 120-130 Millionen Euro.
– Fast ein Drittel der Schüler geht mit Angst in die Schule.
– Unser Bildungssystem erzeugt einen innovationsfeindlichen Geist.
– Alle 45 oder 50 Minuten einen anderen Gegenstand aufgezwungen zu bekommen, ist lernfeindlich und demotivierend.
– Gemeinschaft bleibt auf der Strecke, weil ein Lehrer alle 50 Minuten woanders hinrennen muss.

Was Lernen braucht
Lernen braucht Begeisterung und Bedeutsamkeit, sagt Margret Rasfeld, deshalb ist es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler selbst wählen können, was sie wann wie lernen.

Zu den Tagen der Utopie hat Margret Rasfeld die Schülerinnen Jarmila Tressel und Alma De Zarate mitgebracht, die sich unglaublich souverän vor die Besucher der Abendvortrags hingestellt und von ihrer Schule erzählt haben.
"Schule soll Sachen vermitteln, die man im Leben braucht. Mathematische Formeln braucht man später meist nicht", sagte zum Beispiel Alma. "Man sollte lernen, mit Unwägbarkeiten des Lebens umgehen zu können", meinte Jarmila.

In der ESBZ lernen die Schülerinnen und Schüler Mathematik, Deutsch, Englisch oder Geographie nicht im 50 Minuten-Takt, sondern selbstbestimmt und nach eigenem Zeitplan. Dabei werden sie von einem Tutor/einer Tutorin unterstützt. Zusätzlich zu den klassischen Fächern gibt es für die 7. und 8. Schulstufe das Fach "Verantwortung" und für die 8., 9. und 10. Schulstufe das Fach "Herausforderung".
Bei der "Verantwortung" übernehmen die Kinder an einem Nachmittag der Woche eine selbstgewählte Aufgabe für die Gemeinschaft, wie zum Beispiel Vorlesen in einem Kindergarten, Mithilfe in einem Altersheim oder auf einem Bauernhof und dergleichen mehr. Bei der "Herausforderung" müssen sich die Schüler und Schülerinnen für drei Wochen außerhalb Berlins mit nur 150 Euro in der Tasche einer selbst gestellten Aufgabe stellen. Wie anspruchsvoll diese Herausforderungen sind und wie großartig sie gemeistert werden, zeigt ein Video von der Präsentation der Herausforderungen.

Zuhören, Mitreden, Loben
Ganz wichtig ist in der ESBZ auch das Zuhören und Mitreden bei allen Entscheidungen. Einmal in der Woche gibt es einen Klassenrat für die Schüler, einmal trifft sich die ganze Schule, um Dinge zu besprechen und die kommende Woche zu planen. Dabei sind Jugendliche und Lehrer gleichberechtigt, auch die Lehrer müssen aufzeigen, wenn sie sich zu Wort melden. "Den anderen zuhören lernt man normalerweise nicht im Unterricht", sagen die beiden Schülerinnen sehr weise. Wer Probleme hat, bekommt Hilfe, wer etwas besonders gut gemacht hat, wird gelobt. "Das macht einen sehr stolz, weil es nicht einfach ist, wenn man vor 300 Leuten auf die Bühne geht und jemanden lobt, und weil es schön ist, wenn man gelobt wird", sagt Alma strahlend. Und dann fordern die beiden das Publikum auf, herauszukommen und jemanden zu loben, was auch prompt gemacht wird. Es ist wirklich eine tolle Sache und so einfach.

Als überaus positiv sehen die Schülerinnen auch, dass es bis zur 9.Schulstufe keine Noten gibt, sondern detaillierte Zertifikate für jedes abgeschlossene Thema, in denen beschrieben wird, was jemand gemacht hat, was besonders gut war, wo er oder sie sich besonders bemüht hat usw. Nachahmenswert ist auch das Prinzip "Top-Tipp": Zuerst erfahre ich, was ich gut gemacht habe, dann, was ich besser machen kann. Ein Scheitern wirkt damit nicht so deprimierend, sondern als Chance, es beim nächsten Mal besser zu machen.
Wenn man mehr Spaß beim Lernen hat, behält man auch mehr, meint Jarmila, die zuvor in einer Schule war, wo immenser Druck ausgeübt wurde. Obwohl sie eine exzellente Schülerin gewesen sei, die sogar eine Klasse überspringen sollte, sei sie dort immer schlechter geworden, erzählt sie.
Margret Rasfeld meint, man sollte Noten überhaupt abschaffen, dann würden auch das Vergleichen und das Konkurrenzdenken aufhören.

Der Vortrag von Margret Rasfeld und den beiden Schülerinnen war sehr berührend, beim Publikum standen so manchem die Tränen in den Augen. "Wenn Schule bloß überall so sein könnte!", hörte man nach dem Vortrag von vielen.

Schule im Aufbruch
Damit diese Utopie Wirklichkeit wird, reist Margret Rasfeld mit ihren SchülerInnen durch die Lande, hält Weiterbildungen für Lehrer und Mentoren in ihrer Schule ab. Und sie hat gemeinsam mit dem Neurobiologen Gerald Hüther die Plattform "Schule im Aufbruch" gegründet.

 



Schule der Utopie in Vorarlberg
Anfang April hat eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern aus Vorarlberg mit Alexandra Abbrederis über die Schule der Utopie nachgedacht, die Schule in Berlin besucht und ihre Erkenntnisse und Wünsche bei den Tagen der Utopie präsentiert.






Der Besuch in Berlin hat bleibenden Eindruck hinterlassen, wie zwei Beispiele aus den Kurzberichten zeigen:
Saskia Koller: "Als die Schüler von ihren persönlichen Erfahrungen erzählten, fand ich ihr Auftreten anders, als es bei Gleichaltrigen in meiner Schule wirkt. Ihr Selbstbewusstsein und dass sie keine Angst haben, Fehler zu machen, war beeindruckend."
Benjamin Klocker: "Der größte Unterschied zu unserem Schulsystem ist, dass viel mehr auf die Selbstverantwortung der Schüler gebaut wird. Zu meinem Erstaunen schien das Lernen ohne Druck in den altersgemischten Klassen sehr gut zu funktionieren."


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